„zzz“ zeichnen, zeigen, zeugen

Über prozesshaftes Arbeiten

Michael Bottig, Martina Funder, Martin Kolber, Monika Triska-Schaudy, Helmut Stadlmann, Franz Wienerberger
Vernissage: Fr, 15. Oktober 2004, um 19 Uhr
Eröffnungsperformance:
Martin Kolber, Helmut Stadlmann, Franz Wienerberger, Herbert Strein singt Lieder zur Gitarre

16.10.2004 - 14.11.2004

Bei dieser Ausstellung geht es um prozesshaftes Arbeiten, ums Veranschaulichen bestimmter Entwicklungsschritte, um ein In-Beziehung setzten von verschiedenen Medien und Materialien zur Visualisierung einer konkreten Idee.  
Von den ersten Skizzen und Zeichnungen bis hin zum fertigen „Kunstprodukt“ entspricht dabei eher dem klassischen Bild des künstlerischen Schaffens– aber gibt es nicht auch Vorgehensweisen und Strategien die anders funktionieren und dadurch erst zu eigenartigen Ergebnissen“ führen, die für die BetrachterInnen aufs erste nicht so augenscheinlich sind (Helmut Stadlmann, Franz Wienerberger)
Gibt es „Zwischenschritte“ die eventuelle „Umwege“ einleiten – die mich als KünstlerIn plötzlich so stark beeinflussen und eine neue Entwicklung in der eigenen Arbeit auslösen (Martin Kolber)?  
Gibt es vorangegangene noch nie offenbarte Auseinandersetzungen, die sich auf ganz anderen unvermuteten Ebenen abspielen, die aber die eigentliche  Basis der Arbeit sind (Michael Bottig, Martina Funder, Monika Triska-Schaudy)?
Wie vollzieht sich mein künstlerischer Schaffens-Prozess? – sind die gestellten Fragen und Ausgangspunkt dieser Ausstellung.  
„z  z    z“  [tz tz  tz]   soll Unvermutetes und Verborgenes zeigen, soll Staunen und Verwunderung er-zeugen und fünf sehr unterschiedliche Positionen der Kunstvereins-Mitglieder sind dafür be-zeichnen-d:

Micheal Bottig
"Es waren einmal viele Frauen, die hatten ein schönes Leben vor sich ..."
„Nimm die Schnur des Lebens, entwickle den Geist, schreib, beschreib Sonne, Mond und Sterne. Alle Behutsamkeit bringt dir Geborgenheit und Liebe.“
„Die Erkenntnis der Redundanz des Existentiellen“
Diese drei Sätze haben einen Kopf, einen Seele, die eine Person gemein. Den einen Menschen, der in unterschiedlichen Gesellschaften lebt, der in verschiedene Welten eintauchen kann, der von diversen Regungen der Umwelt geleitet und geformt wird.
Seine Wahrnehmung von Gefühl, Farbe und Struktur sensibilisiert ihn. Seine Empfindung von heiß, gelb oder spitz erweckt bestimmte Vorstellungen. Sein Festhalten von siebenundzwanzig Millionen Grad, des Begriffs „Sonne“ oder des Winkels von drei Grad bedingt Schrift.
Seine Bilder sind Schriften verschiedener Sprachen geformt vom Inhalt.
Sensibel wahrgenommene Ereignisse der Umwelt fängt er gedanklich oder skizzenhaft auf. Die Empfindungen transponiert er in Linien, Flächen und Farben. Die sich entwickelnden Zeichenschriften, Symbolschriften und Farbschriften werden im Malprozess festgehalten.
Zeichnen ist Abstrahieren von Komplexen und Schreiben mit Bildern.
Zeigen ist Sichtbarmachen von Formen und eröffnen von Inhalten.
Zeugen ist Repräsentieren von Sachverhalten und Hervorbringen von Neuem.
ZEICHNEN kann WAHRNEHMUNG visualisieren. ZEIGEN kann auf EMPFINDUNGEN hinweisen. ZEUGEN kann Handlungen FESTHALTEN.
Die Zeichen in diesen Arbeiten sind Referenzen. Die Serie ist Hilfsmittel des Zeigens.
Die Sequenz ermöglicht das Zeugen.
Um der Dimension des Zeitlichen gerecht zu werden entstehen Serien. In dem Maße, wie Schrift eine Serie von Wörtern und Sätzen darstellt, somit temporal fixiert ist, wollen diese Arbeiten eben diese Komplexität in Form des Exemplarischen dokumentieren. Viele der Bilder entstehen in mehreren Ebenen, wodurch die Möglichkeit der Sequenz eines vernetzten Gedankenfeldes hergestellt wird.
Martina Funder
Zuerst ist das Schauen, das Erkennen von Farben und Formen, die meiner Tagesverfassung bzw. meinem Lebensgefühl entsprechen.
Nicht nur Formen aus der Natur, Formen von Gebrauchsgegenständen, Artefakte, sondern auch konstruierte Figuren, geistige Resultate unserer Zeit interessieren mich.
Mir erscheinen sie meist hässlich diese Pokemons, Schrecks, Bioniclesfiguren etx., mehr gefallen mir die Überraschungseierfiguren mit ihren intelligenten Lösungen zum Zusammenbauen.
Aus der Serie „Faszination fremder Länder ASIEN“ fiel mir wie zufällig die „Die Fischverkäuferin“ ins Auge. „Jeden Morgen fährt der Chinese Shu-Jen mit seinem kleinen Boot zum Fischen auf das Meer hinaus. Ganz früh, im Morgengrauen, denn dann fängt er am meisten. Seine Frau Mai Ling wartet bis er zurückkommt, füllt einen Korb mit Fischen und trägt ihn zum Markt um die Fische frisch zu verkaufen. In ihrer typischen Hakka-Kleidung sitzt sie da und preist ihre Fische an. „Feiner Snapper, ganz frisch“ ruft sie. Sobald der Korb leer ist, ruft Mai Ling mit dem handy ihren Mann an, damit er schnell Nachschub bringt.“
Vielleicht hat mich ihre sitzende Haltung, ihre in sich geschlossene Form und ihr ruhiger Gesichtsausdruck an gesehene Formen auf meiner Reise in den fernen Osten erinnert. Gleich einem Buddha sitzt sie hier, doch mit einen handy, das sicherlich ein Symbol unserer Zeit ist. Erst beim Aufbauen mit Ton in eine größere Dimension kam mir die Verwandtschaft zu Buddhafiguren ins Bewusstsein.
Martin Kolber
Die Installation objektiviert das visuelle und das akustische Arbeitsumfeld und lässt die Symbiose zwischen diesem und den aus Draht geformten Objekten erkennen.
Diese haben ihren Ursprung in visualisierten Auflösungsmodellen von Strukturen aller Art, deren Ursprung wiederum in auditiver Wahrnehmung zu finden ist.
Die durch Einarbeitung von Tierhaaren organisch anmutenden Miniobjekte
sind durch Luftbewegung in ständiger Bewegung. Die Luftbewegung ist Konnex  
zur Beschäftigung mit Aerophonen, zur Klangerzeugung im weiteren Sinne und ständigem Wandel im weitesten Sinne.
Die Installation gibt den Beobachterinnen und Beobachtern die Möglichkeit Teil dieser zu sein – in ihr Platz zu nehmen und mittels eines Miniventilators bzw. Fächers die den Objekten innewohnenden Bewegungen selbst auszulösen.
Ein Blick durch das Fernglas richtet den Focus auf das fernere Arbeitsumfeld bzw. lassen sich bei genauem Beobachten nähere Verbindungen zur Installation herstellen.  
Tonaufnahmen des näheren bzw. weiteren Arbeitsumfeldes sind Teil dieser Prozesse verknüpfenden Installation.
Monika Triska-Schaudy
Meine Arbeit ist eine strukturalistische. Es geht um die Darstellung grundlegender Strukturen auf bildnerischem Weg.  
   Ich arbeite am Kreuzungspunkt vieler Bereiche, die sonst in unserer Gesellschaft getrennt betrachtet werden. Meine Ausbildung habe ich mit einem Studium der Naturwissenschaften begonnen. So verwende ich die altbewährte Methode, meine Wahrnehmungen mit Hilfe von Zahlen, Energieprinzipien und Elementen symbolhaft darzustellen. Ich habe gelernt, meine Resultate aus einer Serie von Aussagen herauszufiltern. In der Überlagerung entsteht daraus die zugrundeliegende Form, die „Texture“, eine Grundform des Energieflusses. Anders als die Struktur im Strukturalismus ist sie Struktur in Bewegung,
   Am Anfang steht die Idee (hier: die Vereinigung zweier Zustandsformen eines Elements: „Wasser-Eis“; in einem Bild ). Ich suche Bezüge in den verschiedensten Bereichen: Dichtung und Mythologie, Psychologie, Naturwissenschaften, Malerei und Photographie, Musik. Als direkter Ausdruck unserer Zeit dienen mir Zeitungsausschnitte, zeitgenössische Underground- und Popmusik und –kultur. So erhalte ich die Bereiche des Imaginären und des Realen.  
   An die Stelle einer Skizze tritt bei mir konsequenterweise als erster Entwurf eine Collage, sowie eine Zusammenstellung der Musik, die mir für das Thema geeignet erscheint. Musik und die Bilder begleiten mich ständig bei meiner Arbeit, ebenso wie auch Texte aus Dichtung und der gehörten Musik; immer wieder gemeinsam mit eigenen Texten, Reflexionen, die ich während des Zeichnens in mein Arbeitsbuch schreibe.
   Der künstlerische Vorgang ist eine Verdichtung. Wie in der elektronischen Musik durch die ständige Wiederholung, das Weiterspinnen von Klangteppichen die Aussage entsteht, so verwende ich Farbschichten. Durch ständige Überlagerung und Reduktion wird das Bild geformt. Es ist eine Beschreibung der Welt,  wie sie mir entgegen tritt- in der Sprache der Dichter, der Musik und in Bildern. Wie Tina Kosak es so schön formuliert hat in ihrem Begleittext zu meiner Ausstellung in der Galerie Menotti, 1999: „Zeichnungen als Existenzräume“  
   In dieser Ausstellung präsentiere ich die Collage zu „Wasser-Eis“ , die speziell für das Thema ausgewählte Musik und das fertige Bild.
Helmut Stadlmann
1 ein bild will gemacht werden:
2 wie soll es denn sein?
nach überlegungen zu gott und der welt, zu zeichnung und malerei, zu raum und traum
wird an der ausführung gearbeitet:
3 am computer werden "skizzen" erstellt, ein konstruktionsprinzip (konzept) wird der kalkulation und dem zufall ausgesetzt und variiert. es werden bezüge hergestellt zu beobachtung, zeichnnung, rezeption.
4 wie sollen denn die "skizzen", die keine beiläufigen handzeichnungen sind, sondern computerausdrucke, ausgeführt werden?
die wahl fällt auf zeichnung, weil die zeichnung sich um farbe nicht kümmern muss (und um farbe ging es bei obigen überlegungen noch nicht), weil sie von vorn herein reduziert ist und doch eine komplexität einbringt, die durch die "hand" entsteht, durch verschiedene grade der
genauigkeit/ungenauigkeit, verschiedene härtegrade von stiften, verschiedene strichstärken usw. das maschinell kalkulierte wird buchstäblich in die hand genommen und mit menschlicher und materialer unzuläglichkeit gemischt (abgesehen davon ist auch die maschinelle materialisation computatorischer kalkulation meistens unzulänglich und unbefriedigend).
5 das ergebnis sind zeichnungen von orten und nicht-orten, von konkreten (landschaftlichen) und imaginierten räumen, gewonnen aus ideen zu kunst und wissenschaft, bild und betrachtung, gebrochen durch berechnungen, vermessungen und daten, multipliziert mit der unzuläglichkeit des körpers des zeichners und des zeichenmaterials.
Franz Wienerberger
Franz Wienerberger ist ein Künstler, der schon relativ früh zu seinem “Markenzeichen” gefunden hat: dem Klebeband, oder auf neudeutsch: dem Tape. Er ist zugleich der erste, der dieses an sich durch und durch “unkünstlerische“ Medium in den Stand der “Kunstwürdigkeit“ erhoben hat, es avanciert für ihn zum eigentlichen “Mahlwerkzeug“, mit dem er seine Artefakte erschafft, sei es im Bereich der Zweidimensionalität, der Dreidimensionalität oder der den Raum umgreifenden Installation. Dabei kann das Klebeband selbst zum eigentlichen Gegenstand der künstlerischen Darstellung werden  - also  “rein“ und “pur“ als Flächenformation oder Raumgebilde - , oder es tritt in Verbindung mit realen Dingen in Erscheinung. Und die Dinge, die er mit dem Tape gestaltet, entstammen unserer Alltagswelt. Es sind einfache, billige, meist triviale Gegenstände in der Art von “objets trouves“, die in Verbindung mit dem Klebeband zum Kunstwerk werden:  Kleiderbügel, Einkaufswagen, Bilderrahmen, Telefone, Flaschen, Schuhe…
Zur Ausstellung im Kunstverein Baden zum Thema “ zeichnen zeigen zeugen “ zeigt Wienerberger seine neuen Arbeiten:
Notice Tapes
Die Tapes beschränken sich nicht nur auf das Überkleben von Dingwelten, sie erweitern  oder dehnen sich in das Territorium der Wörter. Handgeschriebene Notizen auf Büttenpapier, die den Klebevorgang beschreiben, werden sprachrhythmisch verbunden, zusammengeführt und überklebt. Das Handgeschriebene  und die Aussage stehen gleichberechtigt neben dem Sinn des geschriebenen Wortes. Das Überkleben wird gesprächig.
“Fußpilz aller Länder…“
Unterschiedliche Schuhe mit verschiedenen Geschichten, vorhanden an einem Ort, spielen mit der Sehnsucht der Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Kulturen. Dass dies wertvolle Spuren hinterlässt, ist eine Bereicherung und Herausforderung in Zeiten, in denen Ausgrenzung (schon) wieder Thema ist.