Hans Nevidal
disturbed balance
Vernissage: Fr, 30. Mai 2008, um 19 Uhr
Eva Ursprung spricht mit Hans Nevidal
Hans Nevidal
Dachschaden
Das Dach wäre, wenn man es von außen besehen könnte, als mit einem irregulären bunten Muster farbiger Eternitplatten gedeckt zu sehen, wenn es denn zu sehen wäre, was es aber nicht ist, denn in Ermangelung eines Gegenübers ist es für Menschen unsichtbar, auch wenn es, wie der Künstler Hans Nevidal immer wieder betont, unter der Einflugschneise des Flughafens Wien-Schwechat liegt. Mit großem Aufwand keiner anderen möglichen Funktion als der Sichtbarkeit dienend, ist dieses Dach dank seiner Unsichtbarkeit ein großflächiges Monument des Scheiterns. Und Scheitern ist dem Künstler Hans Nevidal kein Schaden, es ist ihm Programm.
Das Dach wäre, wenn man es von innen betrachtet, nicht nur als von einem asymmetrisch verrückten Glasfenster durchbrochen zu erkennen, dessen Asymmetrie einem Dachschaden geschuldet ist und somit einem Scheitern die Form verdankt, es wäre auch als von transparenten Kunststoffplatten in mehreren Farben überdeckt sichtbar, und es wäre nicht zuletzt als bedeutendes Kunstwerk, das die besten Traditionen der Moderne fortführt, zu erkennen, wüsste man, dass es Bruno Taut, Joseph Beuys, Marcel Duchamp, Frederick Kiesler, den Prager Kubismus und Schwitters Merzbau („Die Kathedrale des erotischen Elends“) irgendwie mitmeint und heranzitiert, aber man glaubt das nicht, wenn Nevidal das erwähnt, weil er dabei höhnisch und lausbübisch kichert, und weil die klassische Moderne im Kontext des programmatischen Scheiterns selbst als Zitat nur scheitern kann (und, anders als im Kontext Nevidals, stets nolens volens gescheitert ist), und somit im eremitischen Dachstübchen des Künstlers, mittlerweile verstaubt bis zur Unsichtbarkeit, jenseits jedweder Öffentlichkeit doppelt scheitert, was durchaus im Sinne des Erfinders, im Sinne Nevidals, gelegen ist. Immerhin aber durfte es in der Grazer Ausstellung über das Scheitern (2003) nicht fehlen. Am Ende bleibt sonach unentscheidbar, ob das Dach von innen und oder von außen, als modernes Kunstwerk oder als dessen Scheitern, und nicht zuletzt, ob es überhaupt gesehen werden kann oder vielmehr nicht.
Wolfgang Pauser
hans nevídal wurde am 29. 3. 1956 in wien geboren.
der experimentalgrafiker erforscht in seiner arbeit soziale beziehungen und das weite feld experimenteller druckprozesse.
1985
ich möchte ein buch schreiben, aber mir fehlen die worte.
präsentation von 3 künstlerbüchern des sonderzahl-verlages im museum moderner kunst wien
1990
no concept im steirischen herbst, graz
1991
leere hüllen für den steirischen herbst, graz
1993
von mir aus, galerie freiberger, mürzzuschlag, katalog: gute ware
realitäten/kulturen, galerie menotti, baden bei wien
1996
eau de toilette au souterrain, kunsthaus mürz, mürzzuschlag
1998
das druckgrafische werk: 1977 bis 1998, forum stadtpark, graz
bundesstipendium in krumau
2000 bis 2033
projektionen zum 10. mai, deutsche bibliothek frankfurt am main und/oder leipzig
2001
kanalfernsehen, MAK wien
beteiligungen:
1979
expansion (internationale biennale für grafik und visuelle kunst), secession wien
1980
video in österreich, museum des 20. jahrhunderts, wien
1988
visionäre architektur wien 1958/1988
1996
jerusalem, zion, al-quds, jerusalem theater, jerusalem
2003
fehlschläge, forum stadtpark, graz
postscript (zur form von schrift heute), künstlerhaus wien
edition postscript
2004
reserve der form, künstlerhaus wien
2007
bilderbuch, documenta 12, kassel
documenta 12 edition
kuratorentätigkeit:
1992/93
der schrein des buches, steirischer herbst / alte galerie graz
und jüdisches museum wien, katalog: the book of the shrine
1994
gewäsch/installationen der künstler aus gugging, steirischer herbst, graz